Wir starten eine Rundreise durch Niederschlesien, zu den weltbekannten Schlössern und Kirchen, fahren mit dem Auto bei herrlichem Wetter im Herbst. Um uns herum ein „Indian Summer“, die Blätter der Bäume und Sträucher waren in allen Schattierungen gefärbt, über uns strahlt die Sonne.
Als ersten Stopp wählen wir Hirschberg (Jelenia Góra), eine kleine Stadt in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien. Sie liegt im Hirschberger Tal am Fuß des Riesengebirges und hat circa 85 000 Einwohner. Von dort ist es nicht weit bis zur tschechischen Grenze.
Aufgrund der Ansammlung von Schlössern und Herrenhäusern kann man die Gegend mit dem Loiretal vergleichen, man spricht von der größten Schlösserdichte Europas. Im 19. Jahrhundert zieht die liebliche Landschaft den preußischen Hochadel an, er läßt sich prächtige Paläste und kunstvoll gestaltete Parkanlagen errichten. Die feine Gesellschaft verbringt hier den Sommer, feiert prachtvolle Feste und richtete exklusive Jagdgesellschaften aus.
Heute sind viele dieser Herrenhäuser luxuriöse Hotels, erschwinglich für uns Dank des günstigen Umrechnungskurses Złoty – Euro.
Hirschberg (Jelenia Góra)
Gemäß unserem Motto der Reise: Schlösser Schlesiens, haben wir für die erste Übernachtung den Pałac Paulinum gebucht. Das Herrenhaus liegt auf einem Hügel, circa zwei Kilometer vom Stadtzentrum Hirschbergs entfernt.
Pałac Paulinum
Erstmals als Paulinenhof im Jahr 1655 erwähnt, wird das Gebäude wahrscheinlich nach Paul Kötting benannt. Er ist der Ordensvorsteher eines Jesuitenordens, der das Landgut südlich der Stadt erwirbt. Bis ins Jahr 1810 bleibt das Anwesen in kirchlicher Hand.
Mitte des 19. Jahrhunderts kauft der Hirschberger Leinenfabrikant Richard von Kramsta das Anwesen samt Felder und Wiesen. Der Unternehmer hat sein Vermögen in der schlesischen Textilindustrie gemacht.
Bald danach, im Jahr 1855, beauftragt von Kramsta den Gärtner Siebenhaar mit der Gestaltung einer großen Parkanlage. Eine waldähnliche, einzigartige Landschaft entsteht. Mehrere Alleen führen hindurch, von seltenen Bäumen gerahmt. Siebenhaar legt Aussichtspunkte an, die spektakuläre Blicke hinüber zum Riesengebirge bieten. Auch eine neue Residenz baut man, ein Schloss, oben auf dem Berg. 1872 war es fertiggestellt, in einem Stilmix zwischen Renaissance und mittelalterlicher Burgenarchitektur.
In der Folgezeit gibt es einige Besitzer- und Bestimmungswechsel.
So dient der Palast während des Zweiten Weltkriegs als Evakuierungsort für Kunstgegenstände aus Museen und Einrichtungen von Forschungsstätten, bevorzugt aus dem nahen Breslau.
Kurzzeitig ist es auch ein Schulungszentrum der NSDAP.
Nach dem Kriegsende wird es Militärcasino, später ein Heim für Künstler und Schriftsteller und danach das Depot des Ministeriums für Kunst und Kultur.
Seine vorerst letzte Bestimmung bekommt das Haus im Jahr 2002, es wird komplett restauriert und in ein exklusives Hotel umgestaltet.
Unser Weg führt uns zu den liebevoll restaurierten Arkadenhäuser rund um den Rathausplatz. Sie stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Damals wohnten hier die wohlhabenden Bürger der Stadt und übten ihr Handwerk aus. Heute sind in den Laubengängen hübsche kleine Cafés, Restaurants und Shops untergebracht.
Unser Weg führt uns zu den liebevoll restaurierten Arkadenhäuser rund um den Rathausplatz. Sie stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Damals wohnten hier die wohlhabenden Bürger der Stadt und übten ihr Handwerk aus. Heute sind in den Laubengängen hübsche kleine Cafés, Restaurants und Shops untergebracht.
Im Zentrum steht das Rathaus, groß und imposant. Das klassizistischen Gebäude wurde im Jahr 1747 fertiggestellt.
Interessant ist die alte Straßenbahn, die aus ihren Schienen gehoben auf dem gepflasterten Platz steht, umfunktioniert als Tourismuscenter.
Wir versuchen vergeblich die kleine barocke St. Peter- und Paulskirche (Cerkiew św. Piotra i Pawła Apostołów) von innen zu sehen. Sie dient seit 1948 die Kirche der Orthodoxen Gemeinde. Gerade aber findet ein Gottesdienst statt und das Haus ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Da wollen wir nicht stören.
Um so schöner dann, dass mir später auf unserem Heimweg ein Schnappschuss vom Pfarrer gelingt. Er hat Feierabend und schließt nach getaner Arbeit seine Kirche ab.
Unser Abendessen nehmen wir im Restaurant Kucie Smaku am Marktplatz ein, es schmeckt köstlich. Die Großmutter kocht, wie wir erfahren. Wir essen frische Forelle, die sicherlich hier in der Gegend gefangen wird.
Gut gesättigt laufen wir danach in der Dunkelheit die zwei Kilometer zurück zum Hotel. Dabei durchqueren wir den berühmten Landschaftspark, der jetzt am Abend schlecht beleuchtet und etwas unheimlich ist. Somit haben wir nach dem Essen noch einen großen Verdauungsspaziergang und fallen redlich müde in unsere Schlossbetten.
Gnadenkirche und Kirchhof
in Jelenia Góra
Am nächsten Morgen beginnen wir mit der Besichtigung der eindrucksvollen Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz. Nur wenige evangelische Kirchen durften im 18. Jahrhundert in Schlesien gebaut werden. Heute nutzt die römisch-katholischen Gemeinde das Gotteshaus.
Von außen schlicht, überrascht sie im Innenraum mit ihrer prächtigen Ausstattung. Der barocke Hochaltar und die große Orgel sind sehenswert. Wir staunen über die verzierten hölzernen Emporen und die wunderschönen farbenprächtigen Deckenmalereien.
Nach dem Kriegsende im Jahr 1945 verfiel der ehemalige Friedhof und die alten Grabstätten wurden eingeebnet. Nur wenige Monumente blieben erhalten. Man legte einen Park an, eine große Rasenfläche. Heute stehen ringsherum hohe Bäume, die in herbstlichen Farben leuchten.
Die alte Friedhofsmauer blieb erhalten. Hier entlang der reihen sich die prächtigen Grabkapellen reicher Hirschberger Familien aus den vergangenen Jahrhunderten, achtzehn von ihnen sind stehen geblieben.
Diese Grufthäuser sind wertvolle Zeugnisse der Kulturgeschichte Schlesiens. Sie offenbaren den Reichtum der Kaufleute, den diese, vor allem mit weltweitem Leinenhandel, im 17. und 18. Jahrhundert erwirtschaftet haben.
Zwischen den Grabhäuser hat man an der Mauer einige der Reste der historischen Grabmonumente angebracht.
Miłków
Auf der Fahrt durch diese wunderbare Landschaft, Richtung Schloss Fürstenstein, kommen wir an vielen interessanten Orten vorbei. Manchmal stoppen wir dann, um uns umzuschauen und Fotos zu machen.
Im Ort Miłków (Powiat Jeleniogórski – Kreis Hirschberg im Riesengebirge) entdecken wir eine völlig verfallene und entkernte Kirchenruine mit Friedhof.
Aus dem Inneren der Ruine wachsen Bäume und Sträucher. Die ehemalige evangelische Barockkirche aus dem 18. Jahrhundert wurde 1945 von der Roten Armee zerstört. Heute nutzt die katholische Gemeinde den Kirchhof. An der östlichen Kirchenmauer jedoch, auf einem kleinen Areal, fanden wir noch ein paar alte Granitgräber mit deutschen Inschriften.
Schloss Fürstenstein
Das Schloss ist das drittgrößte in Polen und viele spannende Legenden ranken sich um dieses Gebäude. Dabei geht es um unterirdische Tunnel, um Waffenfabriken der Nazis, um einen legendären Goldzug, um Beutekunst und ähnliche Geschichten.
Die große Parkanlage ist so gut besucht, dass wir weit außerhalb parken und lange durch den schönen Garten bis zum Schloss spazieren.
Ungefähr zwei Stunden muss man für eine Besichtigung der Innenräume einplanen. Der Rundgang ist sehr gut mit einem Audioguide organisiert. Viele möblierte Räume sind zu besichtigen und es fühlt sich fast so an, als wären die Bewohner nur kurz mal unterwegs.
Mit Originalfotografien weisen darauf hin, dass manches der ursprünglichen Inneneinrichtung im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde oder verloren ging. Das Interieur ist jedoch sehr stilecht restauriert oder der damaligen Zeit nachempfunden.
Faszinierend finde ich die Geschichte der Familie und besonders die der LadyDaisy von Pless, Mary-Theresa Olivia Cornwallis-West.
Sie ist eine der ersten Society Ladies des deutschen Hochadels, ein Mädchen aus der englischen Upper Class, jung und bildschön. Da ihre Familie frisches Geld braucht, heiratet sie 1891, mit siebzehn Jahren. Daisy ehelicht den reichsten Erben des deutschen Kaiserreichs, Hans Heinrich XV., Fürst von Pless, Graf von Hochberg, Baron von Fürstenstein.
Damit wird sie Herrin auf dem Schloss und den großen Ländereien der Familie in Schlesien. Als glamouröse Gastgeberin der Gesellschaft um den deutschen Kaiser Wilhelm II. und um König Edward VII. von Großbritannien veranstaltet die Baronin spektakuläre Bälle und Jagdgesellschaften.
Dort glänzt sie, auch durch ihr Äußeres. Gekleidet in kostbare Roben und behangen mit wertvollem Schmuck, ist die Fürstin der Mittelpunkt jedes Festes. Ihre sechs Meter lange Perlenkette ist legendär, die hatte der Fürst ihr bei der Werbung geschenkt. Drei Millionen Goldmark soll sie damals gekostet haben.
Schön, reich und verwöhnt, mit drei süßen Kindern und einen mächtigen Mann, endet dieses luxuriöse Leben jedoch als der Ersten Weltkrieg beginnt. Daisy wird geschieden und erkrankt an Multipler Sklerose. Sie verstirbt 1943 auf Schloss Waldenburg, verarmt und gesellschaftlich isoliert.
Interessant ist auch die Fotoausstellung des Louis Hardouin. Diese Sammlung wird hier zum ersten Mal präsentiert, als Dauerleihgabe. Sie kam aus Kanada zurück nach Polen, wohin die Nachkommen der Hardouins auswanderten.
Louis Hardouin ist der Küchenchef der Familie. In seiner Freizeit widmet er sich leidenschaftlich der Fotografie. So entsteht im Laufe seiner Tätigkeit dieses zeitgeschichtliche Dokument, das Einblicke gibt in das alltägliche Leben der fürstlichen Familie und ihrer Bediensteten.
Schweidnitz (Swidnica)
Am Nachmittag fahren wir weiter nach Schweidnitz (Swidnica) und machen in der Abenddämmerung einen Rundgang durch die Altstadt und suchen ein Restaurant. Viel Auswahl gibt es nicht, so einigen wir uns auf Pizza. Der Marktplatz ist klein, überschaubar und hübsch restauriert, wie so viele in Polen.
Vor der Weiterfahrt am nächsten Morgen besichtigten wir einen der Höhepunkte unserer Rundreise. Wir schauen uns die protestantische Friedenskirche von Schweidnitz an, eine der größten Fachwerkkirchen der Welt und UNESCO-Weltkulturerbe.
Sie ist ein bedeutendes Meisterwerk der polnischen Sakral Architektur und eine der wenigen evangelischen Gotteshäuser, die im 17. Jahrhundert entstehen. Als Zugeständnis an die schlesischen Protestanten baut man die Kirche während der Rekatholisierung nach dem 30-jährigen Krieg. Auch heute ist sie immer noch evangelisch-lutherisch.
Man erlaubt damals nur „vergängliches“ Material, wie Holz, Sand, Lehm und Stroh, eine Bedingung für den Neubau evangelischer Gotteshäuser. Außerdem dürfen sie keine Türme haben, müssen vor den Toren der Stadt stehen und innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden.
Das Holz stammt hauptsächlich von den Gütern der Fürsten Hochberg auf Fürstenstein, die Familie bekommt als Dank ihre eigene Loge.
Der Bau erscheint uns schon sehr beeindruckend von außen, wir treten ein und sind sprachlos. Die barocke Innenausstattung ist spektakulär.
Schloss Kamieniec Ząbkowicki (Kamenz)
Weiter ging es Richtung Moschen. Dann auf dem Weg nach Nysa (Neisse), machten wir eine Zufallsentdeckung, die gar nicht auf unserem Plan stand. Am Horizont erschien eine große Burg auf einem Hügel. Warum nicht hier anhalten, Kaffee trinken, Pause machen und einen Blick auf die Anlage werfen? Gesagt – getan, wir setzten den Blinker und bogen ab.
Wir parken, steigen auf eine Anhöhe und stehen vor einem verschlossenen Tor, an dem Schilder in polnischer Sprache hängen. Fast wollen wir schon wieder gehen, als uns ein freundlicher Mann anspricht und sagt, in 10 Minuten sei eine Führung. Der Pole erweist sich als perfekt englisch sprechender Übersetzer. So nehmen wir unerwartet an einem Rundgang durch das Schloss teil, in ganz kleiner Gruppe, ein zufälliges Glück!
Die niederländische Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau hat das Schloss als Familiensitz konzipiert worden und entsteht Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist ein monumentaler Bau, der wie eine mittelalterliche Burg aussieht.
Karl Friedrich Schinkel wird mit der Planung beauftragt, und entwirft einen großen Palast im neugotischen Stil. Ein junger Mann jedoch, Ferdinand Martius, übernimmt die spätere Ausführung, da Schinkel erkrankt.
Peter Joseph Lenné, der bekannte preußische Landschaftsgärtner, gestaltet die Terrassengärten.
Marianne ist eine temperamentvolle Frau und für das 19. Jahrhundert ziemlich unkonventionell. Sehr jung, schon mit zwanzig, heiratet sie den preußischen Prinzen Albrecht IV. von Hohenzollern.
Es fällt ihr schwer, sich an das strenge Hofzeremoniell anzupassen. So gibt es ständig Konflikte in der zunächst glücklichen Verbindung. Vor allem Albrechts Untreue ist der Beziehung nicht zuträglich. Als er ein Verhältnis mit einer ihrer Hofdamen beginnt, trennt sich das Paar 1838, nach acht Jahren Ehe; ein großer Skandal damals.
Es kommt noch schlimmer. Im Jahr 1948 erwartet die Prinzessin von ihrem Privatsekretär ein Kind. Sie wird geschieden, aus dem Palast geschmissen und des Landes verwiesen.
Von da an ist es ihr nicht mehr gestattet, sich länger als einen Tag auf preussischem Territorium aufzuhalten. Marianne lässt sich jenseits der Grenze nieder, reist ein und aus, immer mit polizeilicher Anmeldung. Ihre Räume im Palast Kamieniec darf sie nur noch durch einen Nebeneingang betreten. Obwohl sich das Ex-Paar des Öfteren gemeinsam dort aufhält, treffen beide in dem großen Gebäude nie wieder aufeinander.
Im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen als Lagerort für Kunstwerke und Archive aus ganz Schlesien genutzt, wird das Schloss nach Kriegsende geplündert und schwer verwüstet. Im Jahr 1946 entfachen sowjetische Soldaten einen Brand. Später entnimmt man wertvolles Baumaterial, wie z.B. Marmor für Neubauten in Polen.
Heute finden hier große Restaurierungsarbeiten statt. Überall ist Baustelle und aus diesem Grund gibt es zurzeit nur die Möglichkeit den Komplex im Rahmen kleinerer Führungen zu besichtigen.
Abschließend fahren wir zum Schloss Moschen (Moszna) und nach Brieg (Brzeg).
Davon in einem weiteren Blogeintrag.
Fazit: eine sehr schöne kurze Reise, die unbedingt wiederholt und vertieft werden muss.