Ein Wochenende in Krakau (Kraków)
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Kurzentschlossen planten wir ein Adventswochenende in Kraków, zwei Tage mit kleinem Gepäck. Das war natürlich nur mit Flugzeug zu machen.  Naja, darüber denken wir in Zukunft nochmal nach.

Sonnenaufgang im Flugzeug
Sonnenaufgang im Osten

Aber gebucht…getan. Früh am Morgen ging es los und so landeten wir nach anderthalb Stunden Flugzeit auf dem Flughafen Johannes Paul II. Kraków-Balice, gemeinsam mit dem Sonnenaufgang.  

Schnell wurde es grau und regnerisch und es dauerte seine Zeit, bis wir uns mit dem Bus und dann zu Fuß zu unserem Hotel durchgeschlagen hatten. Hätten wir gewußt, wie günstig das Taxifahren hier ist, wären wir einfacher und trockener in unserer Unterkunft angekommen. Es war nicht immer einfach sich durch den Schilderwald zu schlängeln.

Polnischer Schilderwald
Polnischer Schilderwald

Kraków ist die wunderschöne Hauptstadt der Woiwodschaft Małopolska (Kleinpolen) und mit fast 800.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Bis 1596 war sie das Zentrum des Königreichs Polens und gilt bis heute als kulturelles Herz und heimliche Hauptstadt.

Der 2. Weltkrieg hat die Stadt wundersamerweise weitgehend verschont und so sieht man heute noch Bauwerke aus vielen vergangenen Epochen. Nirgendwo in Polen findet man eine solche Ansammlung unterschiedlicher Stile aus Gotik, Renaissance und Barock, es ist wie in einem Museum. 

Die Weichsel
Die Weichsel

Unser Hotel lag im Stadtteil Podgórze am Südufer der Weichsel, die hier breit und träge durch die Stadt fließt. Hier befand sich von 1941–1943 das Ghetto Kraków. Von dort aus, das Wetter hatte sich beruhigt, starteten wir zu einem ersten Ausflug in das Zentrum. Wir wanderten durch das ehemalige jüdische Viertel Kazimierz (Kasimir) zum Rynek Główny (Hauptmarkt), dem größten Marktplatz in Europa.   

Die Tuchhallen mit Rathausturm
Die Tuchhallen am Rathausturm auf dem Rynek Główny

Der Platz war ganz im Weihnachtsfieber, mit polnischen Spezialitäten- und Glühweinständen, aber auch Musikdarbietungen und andere künstlerische Vorführungen wurden geboten.  

In der Mitte des Platzes stehen die Krakauer Tuchhallen, das älteste Krakauer „Einkaufszentrum“ und eines der wichtigsten historischen Gebäude der Stadt. Schon im Mittelalter haben Kaufleute hier mit Tuchen gehandelt. Entstanden im 13. Jahrhundert als gotischer Bau, hat man die Hallen nach einem großen Brand im Jahr 1555 wieder aufgebaut und dabei ein bedeutendes Bauwerk der Renaissance Architektur geschaffen.

Gehandelt wurde nicht nur mit Stoffen, sondern auch mit Salz aus dem nahegelegenen Salzbergwerk Wieliczka, ca. 15 km südwestlich von Kraków und UNESCO Weltkulturerbe. Das Salz trug bei zum eigentlichen Reichtum der Stadt, aus den Einnahmen der Salzgewinnung erwirtschaftete man damals den größten Teil der Staatseinnahmen. 

polnische Spezialitäten
Brotstand

Als Kraków in der Folgezeit seinen Status als Hauptstadt an Warszawa (Warschau) verlor, ging es mit der Stadt auch wirtschaftlich bergab. Dazu kamen Kriege und die Teilung Polens Ende des 18. Jahrhunderts. Die Altstadt Krakóws verfiel immer mehr und einiges wurde auch abgerissen, wie das gotische Rathaus auf dem Rynek Główny, von dem heute nur noch der Turm steht. Auch die Tuchhallen verkamen, bis sie dann im 19. Jahrhundert restauriert und wieder aufgebaut wurden.

Das heutige Gebäude beherbergt viele kleine Läden, Cafés und Restaurants. Hier kann man touristische Souvenirs erwerben: wie Trachtenpuppen, Geschenkartikel, Bernstein aus der Krakauer Region; auch Christbaumschmuck und andere Saisonartikel gab es jetzt zur Weihnachtszeit. Es war überall liebevoll dekoriert und gut besucht, um nicht zu sagen, etwas überfüllt, so dass wir sehr schnell wieder ins Freie flüchteten.

Pferdekutsche am Rynek Główny
Pferdekutsche am Rynek Główny

Das nächste Ziel war der Wawel Hügel, eine ca. 25 Meter hohe Kalkformation, am linken Ufer der Wechsel gelegen. Oben auf dem Plateau, geschützt durch Festungsmauern, stehen die Wawel Kathedrale und die Burganlage, das Schloss der polnischen Könige. Beides ist zusammen mit der Krakauer Altstadt UNESCO Weltkulturerbe.  

Souvenirs auf dem Wawelhügel
Souvenirs auf dem Wawelhügel

Der Kalkhügel ist im Inneren durchlöchert wie ein Schweizer Käse, hat viele Höhlen und Kammern und bietet Stoff für Legenden. Die bekannteste Geschichte ist die von „Smok Wawelski“, einem Drachen, der hier lebte, bevor es die Stadt überhaupt gab und den hier in Polen jedes Kind kennt. Er wohnte in einer der Höhlen und hatte lange Zeit die Bevölkerung in dieser Gegend tyrannisiert. Solange bis König Krak kam, der ihn beschwichtigte, indem er ihm seine Tochter zur Heirat anbot. Die Höhle ist heute eine Touristenattraktion. 

Wawelberg
Wawelberg

Wir haben uns die wichtigen Sehenswürdigkeiten auf der Wawel angesehen, zuerst das Wawel Schloss. Bevor die erste Burg im frühen Mittelalter auf dem Hügel errichtet wurde, sollen schon in der Steinzeit Menschen in den Höhlen gelebt haben. Über die Jahrhunderte entstanden dann Gebäude aus allen Kunstepochen wie Romanik, Gotik, Renaissance und Barock. Das jetzige prächtige Schloss, so wie es heute dasteht, wurde erst im 16. Jahrhundert erbaut. Damals in der Blütezeit Krakaus, in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, errichtete man den Bau im Stil der Renaissance. Ein riesiger Palast mit 71 Räumen, von denen man heute einige besichtigen kann. Man geht durch prachtvoll ausgestattete, repräsentative Königsgemächer, dekoriert mit flämischen Wandteppichen, wertvollen Gemälden und Möbeln. Auch die königlichen Insignien, eine Waffenkammer und eine Schatzkammer kann man sich anschauen.

Wawel Schloss
Wawel Schloss

Die Wawel Kathedrale ist die wichtigsten Kirche in Polen, ein Heiligtum für die katholischen Bevölkerung. Sie ist seit dem 14. Jahrhundert der Ort, an den die polnischen Könige gekrönt wurden, wo sie heirateten und dort sind sie auch begraben. Auch Staatsmänner, wie z.B.der ehemalige Staatspräsident Lech Kaczyński, sowie herausragende Künstler fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Sehr eindrucksvoll ist die Krypta. Hier liegen sie, von den Königen des Mittelalters bis hin zu den Gründervätern der Republik. 

Krypta in der Wawel Kathedrale
Krypta in der Wawel Kathedrale

Am Abend hatten wir einen Tisch reserviert im historischen Restaurant Wentzl. Wichtig war uns ein Platz direkt am Fenster. Die Aussicht auf den Rynek Platz bei Dunkelheit ist einmalig und unbezahlbar. Seit über 200 Jahren gilt das Lokal als eines der Besten der Stadt. Es wurde 1792 von Jan Wentzl hier an diesem Platz etabliert und hat im Laufe der Jahrhunderte viele berühmte Gäste gesehen. Ende des 19. Jahrhunderts war es ein Künstlertreff. Die Interieur ist gediegen mit Holzdecken, Ölgemälden und orientalischen Teppichen. Das Essen war sehr gut, die Portionen klein, es gab guten Wein und die Preise im Zloty für Eurozahler erschwinglich. 

Gut gesättigt und leicht beschwipst ging es dann zurück in unser Hotel auf der anderen Seite des Flusse, belohnt wurden wir noch mit einer fantastischen Abendstimmung. 

Blaue Stunde an der Weichsel
Blaue Stunde an der Weichsel

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen der jüdischen Geschichte der Stadt. Zuerst erkundeten wir unseren Stadtteil Podgórze. Nicht weit vom unserem Hotel entfernt liegt den Platz der Helden des Ghettos  (Plac Bohaterów Getta), ehemals Platz der Einheit (pl. Plac Zgody). 

 Platz der Helden des Ghettos (Plac Bohaterów Getta)

Dieser große Platz, dieser Ort spielte eine schreckliche Rolle bei der Judenvernichtung. Dort war die letzte Station für die Menschen aus dem Krakauer Ghetto vor der Deportation in die Konzentrationslager. Hier wurde die jüdische Bevölkerung versammelt und selektiert. Heute stehen hier Stühle, ein Denkmal, das im Jahr 2005 errichtet wurde. Ein Mahnmal in Gedenken an diese Menschen, von denen nur Ihre Möbel geblieben sind, die sie eigentlich mitnehmen wollten. 70 Stühle, grau, leer, teilweise überdimensioniert, die das  Schicksal der Krakauer Juden in Erinnerung halten. Die Stühle sind in Reihen aufgestellt und in Richtung der Apotheke „Unter dem Adler” (Pod Orłem) ausgerichtet, die am südlichen Ende des Platzes im Eckhaus Nr. 18 liegt.

Der damalige „arische“ Besitzer Tadeusz Pankiewicz hatte in seinen Erinnerungen geschrieben: „Auf dem Platz der Einheit verfallen unzählige Schränke, Tische, Anrichten und andere Möbel, die ständig hin- und hergetragen werden.”

Platz der Helden des Ghettos (Plac Bohaterów Getta)
Die Stühle auf dem Platz

Pankiewicz bekam 1941 von den deutschen Behörden die Genehmigung, die Apotheke weiter zu betreiben, die dort schon 1909 von seinem Vater gegründet wurde. So hatte er immer den Zgody-Platz im Auge und wurde Zeuge der Grausamkeiten. Er durfte mit den Juden im Viertel ausschließlich über medizinische Angelegenheiten reden. Das hielt ihn und seine Mitarbeiter jedoch nicht davon ab, die Ghettobewohner zu unterstützen, obwohl das strengstens verboten und auch lebensgefährlich war. 

„Unter dem Adler” (Pod Orłem)
„Unter dem Adler” (Pod Orłem)

Die Apotheke mußte 24 Stunden geöffnet sein und Pankiewicz übernahm meistens die Nachtschicht. Der Apotheker hielt für die Eingesperrten die Kontakte nach außen, er besorgte gefälschte Pässe, schmuggelte Wertgegenstände und spendete Trost. Außerdem versteckte er Personen und ermöglichte ihnen die Flucht. Nach dem Krieg kümmerte sich Pankiewicz um rückkehrende Exilanten und sagte in mehreren NS Prozessen aus. Er hat seine Erinnerungen aufgeschrieben in dem Buch „Die Apotheke im Krakauer Ghetto“, das 1947 erschien.

1983 wurde Pankiewicz von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem zum „Gerechten unter den Völkern“ ernannt.

Das Denkmal der leeren Stühle
Denkmal der leeren Stühle bei Nacht

Im gleichen Jahr (1983) hat man in den historisch wichtigen Räumen der Apotheke hier am Platz ein Museum eingerichtet, als eine Abteilung des Historischen Museums der Stadt Krakau. Finanziert wurde es auch unter anderen durch Spenden der Filmemacher Roman Polanski, der selbst als Kind im Krakauer Ghetto gelebt hatte und Steven Spielberg, der das Leben des Oskar Schindler (Schindlers Liste) verfilmt hat. Man restaurierte die alte Apotheke und vervollständigte die Ausstellung über die Vernichtung der Krakauer Juden durch Fotos, Filme und Archivdokumente.

Unser Weg führte uns weiter vorbei zu den letzten Resten der Ghettomauer, die heute noch hier im Stadtteil stehen. Auf der Gedenktafel ist zu lesen: „Hier haben sie gelebt und gelitten und sind von den Nazi-Henkern ermordet worden.“

Reste der Mauer des Krakauer Ghettos
Reste der Mauer des Krakauer Ghettos

Bevor wir am Nachmittag das jüdische Viertel Kazimierz erkundeten, machten wir noch einen Abstecher zur Emailfabrik des deutschen Unternehmers Oskar Schindler. Er war der Protagonist des Films Schindlers Liste von Steven Spielberg. Der Fabrikant hatte, gemeinsam mit seiner Frau Emilie, etwa 1200 der bei ihm angestellten jüdischen Zwangsarbeiter vor der Deportation in die Lager bewahrt. Schindler erstellte eine Liste, die diese Menschen als kriegswichtige Arbeiter deklarierte und kaufte sie somit der SS ab. Diese Liste rettete ihnen das Leben. 

Heute ist die Fabrik ein Museum, das anhand von Einzelschicksalen die Geschichte Krakaus in der Zeit von 1939-1945 zeigt. Am Eingang gab es einen großen Andrang von Besuchern aus aller Welt, man hörte ein Stimmengewirr aus spanisch, französisch, holländisch, deutsch und natürlich auch polnisch. Die Fabrik ist eine der wichtigen touristischen Attraktionen in Krakau. Leider hatten wir keine Möglichkeit das Museum zu besichtigen, man hätte im Voraus ein Zeitfenster buchen müssen. Das machen wir beim nächsten Mal.

Kazimierz, heute ein Stadtteil von Krakau, war bis 1800 einen eigenständige Stadt. Sie hatte eine große jüdischen Gemeinde und dort war damals das religiöse Zentrum der Juden in Polen. Es gab einige bedeutete Synagogen, eine Talmut Schule, die Schüler aus ganz Europa ausbildete. Und es gab auch mehrere Friedhöfe. 

Anfang 1945, als der Zweiten Weltkrieg beendet war, kamen ca. 6500 Juden, die den Naziterror überlebt hatten, zurück nach Krakau. Kazimierz jedoch verfiel und wurde zum Armutsquartier. 1978 dann wurde der Stadtteil in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen und 1993 begann Steven Spielberg dort Teile seines Holocaust-Films zu drehen. Das bescherte Kazimierz einen großen Aufschwung. Vieles wurde saniert und restauriert. Heute gibt es hier schöne Geschäfte und Restaurants und es kommen Touristen aus aller Welt.

Denkmal mit alten Mazewas
Denkmal mit alten Mazewot

Wir sind über den „Neuen Jüdischen Friedhof“ gegangen, im Osten von Kazimierz, etwas außerhalb des Stadtteils und versteckt hinter einer Bahnlinie. Er ist im Jahre 1800 entstanden, bis zu 10.000 Grabstätten soll es hier geben. Etliche von ihnen sind überwuchert und wirken etwas vernachlässigt. Wie auch auf anderen jüdischen Friedhöfen haben hier die Nazis vieles zerstört und die Grabsteine, die Mazewot entwendet. Sie wurden teilweise zerschlagen und dann als Baumaterial verarbeitet. Auch Straßen wurden damit gepflastert. Manche der alten Steine hat man jedoch nach dem Krieg gefunden und zurückgebracht. Gleich am Eingang des Friedhofs wurde mit den alten Mazewot ein Denkmal errichtet.

Es ist ein ruhiger Ort mit alten, aber auch neuen Gräbern, denn es gibt eine aktive jüdische Gemeinde, die ihre Toten hier bestattet. 

 

Am Abend ging es noch einmal zurück zum Rynek Główny, auf der Suche nach einem schönen Restaurant. Es gibt hier zahlreiche, für jede Geschmacksrichtung ist etwas dabei. Der Platz war jetzt sehr stimmungsvoll beleuchtet. 

Rynek Główny am Abend
Rynek Główny am Abend

Aufgefallen sind uns in den Schaufenstern die Krakauer Weihnachtskrippen. Ein ganz besonderes Weltkulturerbe, das auf der immateriellen Liste der UNESCO steht.

Die Tradition reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Als sie in moderneren Zeiten langsam in Vergessenheit gerieten, hat man 1937 einen Wettbewerb ausgerufen, um diese Kunst am Leben zu halten. Im 2. Weltkrieg kam es zu einer Unterbrechung, danach allerdings setzte man es fort, bis heute.

Der Wettbewerb findet an jedem ersten Donnerstag im Dezember statt. Am frühen Morgen beginnt man die kunstvollen Krippen auf dem Platz zu präsentieren und in einer Zeremonie werden sie dann herumgetragen. Der Gewinner wird dann am Abend bekannt gegeben und die beste Krippe prämiert.

Die Kunst diese einzigartigen, reich geschmückten Bauwerke zu gestalten wird von Generation zu Generation weitergegeben. Es gibt für den Aufbau sehr charakteristische Merkmale und die sind abgeschaut von der lokalen Architektur. 

Ein gutes Beispiel dafür ist die Josefskirche (Kościół pw. św. Józefa)

Josefskirche (Kościół pw. św. Józefa)
Josefskirche (Kościół pw. św. Józefa)

Fazit: Es war ein wundervoller Ausflug in die Kulturhauptstadt Krakau, vollgepackt mit Erlebnissen. Und es war erst einmal nur ein Schnuppern, denn es gibt noch soviel zu sehen.

Am nächsten Tag ging unser Flugzeug zurück. Diesmal haben wir ein Taxi genommen, das hat umgerechnet etwa 20€ gekostet, für eine halbe Stunde Fahrt.

Wir werden wiederkommen.