St. Andrews
Auf meinen Reisen als Reiseleiterin durch Schottland hat mich ein kleiner Ort an der Ostküste besonders beeindruckt: St. Andrews. Das ist eine Kleinstadt mit ca. 17000 Einwohnern, von denen etwa ein Drittel Studenten sind. Der Ort ist wunderschön und in vielerlei Hinsicht sehr wichtig für Schottland, mit einer langen und interessanten Geschichte.
Der Namensgeber für das Städtchen ist St. Andreas, der Nationalheilige und der Schutzpatron Schottlands. Das X-förmige Kreuz, an dem er hingerichtet wurde, das Andreaskreuz, findet sich in der schottische Flagge und auch im Stadtwappen von St. Andrews. Sein Todestag, der 30. November, St. Andrews Day, ist Nationalfeiertag in Schottland.
Die Universität
Heute ist die kleine Stadt bekannt durch die Universität, die erste, die 1413 in Schottland gegründet wurde. Überall verteilt im Stadtgebiet sind die Fakultäten, sowohl in historischen als auch in modernen Bauten untergebracht. Nach Oxford und Cambridge ist das College das drittälteste in der englischsprachigen Welt. Die theologische Fakultät ist eine der besten in Großbritannien, denn der Ort hat einen wichtigen Platz in der Religionsgeschichte des Landes.
Die Hochschule gehört mit den obergenannten zu den „Eliteuniversitäten“ in Grossbritannien. Studenten, die sich hier einschreiben, wissen um diese Tradition und pflegen sie auch. Wenn man Glück hat, kann man die besondere akademische Kleidung, die „Red Gowns“ sehen. Sie werden hier zu bestimmten Anlässen angelegt, wie jedes Jahr zum feierlichen Gottesdienst, mit dem die Semester beginnen. Aber auch zum berühmten Pier Spaziergang auf der Hafenmole, zu Klausuren und ähnlich wichtigen Veranstaltungen werden sie getragen. Die „ Red Gowns“ wurden im Jahr 1672 eingeführt, angeblich um mehr Kontrolle über die Pub Besuche der jungen Studierenden zu haben.
Eine weitere Tradition ist der „Raisin Monday“, der „Rosinenmontag“, ein wichtiger Tag für die Erstsemester und eine große Sauerei. Den ganzen Vormittag über bewerfen sich die Studenten mit Rasierschaum und danken den älteren Semestern traditionell mit einem Pfund Rosinen.
Last not least der „Maydip“, das traditionelle Bad in der kalten Nordsee am 1. Mai. Nach einer Partynacht wird das Ritual im Morgengrauen vollzogen. Es dient dazu, Semestersünden abzuspülen und gute Noten bei den Prüfungen zu garantieren. Ganz besonders befreit es auch von der schwerste Sünde, das Betreten des PHs auf dem Bürgersteig vor der St. Salvador Chapel.
Sehr stolz ist man, dass Prinz William und Herzogin Kate sich hier beim Studium kennengelernt haben. Vier Jahre hat das Paar in St. Andrews studiert und während dieser Zeit haben die Bewohner der Stadt dafür gesorgt, dass „ihr“ Prinz weitgehend unbehelligt blieb. 2005 machte William hier seinen Abschluss in Geografie und Katherine in Kunstgeschichte. Zu seiner Abschlussfeier war sogar Queen Elizabeth anwesend.
Die Hauptstadt des Golfs
Nicht weniger bekannt ist St. Andrews als Hauptstadt des Golfs, ein Mekka für alle Golfspieler. Die Schotten gelten als die Erfinder dieses Spiels. Der Old Course ist der ältesten und vermutlich bekannteste Golfclub der Welt, der 1754 gegründete St. Andrews Society of Golfers. Jeder Golfenthusiast möchte hier einmal in seinem Leben gespielt haben. Hier wurden die Regeln des Golfsports geschrieben und immer noch die internationalen Regeln festgelegt. Eine nicht belegte Erzählung berichtet von Farmern, die mit kleinen Feldsteinen auf Kaninchenlöcher geschossen haben. So soll es angeblich begonnen haben.
Die erste urkundliche Erwähnung des Golfspiels gab es durch König James in Schottland 1457. Das schottische Parlament verabschiedet ein Verbot mit folgendem Inhalt:
„Die Golfbegeisterung hat so zugenommen, dass die jungen Leute diesem Sport zu viel nachgehen und infolgedessen die kriegerische Beschäftigung des Bogenschießens vernachlässigen. Das Spiel hat demnach zu unterbleiben.“
Golf ist in Schottland Nationalsport. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die Ausübung dieses Sports nicht erst ab einem bestimmten Jahreseinkommen möglich. In Schottland kann man vor Ort die Ausrüstung leihen und somit ist es für Jedermann möglich zu spielen. Es gibt über das ganze Land verteilt über 400 Golfplätze, mehr Plätze pro Kopf als irgendwo sonst in der Welt.
Hier auf dem Friedhof der Kathedrale kann man das Grab eines weltbekannten Golfspielers besuchen. Eingelassen in die Friedhofsmauer liegt Young Tom Morris. Er war, wie auch sein Vater Old Tom Morris, einer der erfolgreichsten Golfprofis des 19. Jahrhunderts. Teilweise belegten die beiden Platz eins und zwei bei Turnieren.
Und dann: während eines Turniers erhielt der junge Morris die Nachricht, dass seine schwangere Frau erkrankt sei. So schnell wie möglich kehrte er nach Hause zurück, nur um Frau und Kind tot vorzufinden. Davon erholte Tom Morris sich nicht mehr und starb mit nur 24 Jahren.
Die religiöse Hauptstadt
Nicht zuletzt ist St. Andrews die historisch religiöse Hauptstadt Schottlands. Schon etwa im 8. Jahrhundert gab es hier eine frühchristliche, keltische Siedlung. Um diese Zeit wurden vermutlich einige der Reliquien, ein paar Finger und ein Arm des Apostels Andreas an diesen Ort gebracht. Über den genauen Zeitpunkt gibt es allerdings Unstimmigkeiten. So sagt die Legende von St. Regulus (St. Rule), dass die Reliquien schon im 4. Jahrhundert dorthin kamen.
Der Fischer Andreas und sein Bruder Simon stammten aus einem Dorf am See Genezareth. Eines Tages begegneten die beiden Jesus von Nazareth und schlossen sich ihm an. Simon nannte sich Petrus und die Brüder gelten heute als die ersten Apostel. Nach dem Tod Jesus ging Andreas auf Missionsreisen und starb am 30. November 60 im griechischen Patras den Märtyrertod an einem X-förmigen Kreuz aus 2 quergestellten Balken.
In der schon erwähnten Legende heißt es, dass St Regulus, der Friedhofswächter in Patras Griechenland war, ein Engel erschienen sei. Dieser gab ihm den Auftrag, die Gebeine des Apostels Andreas ans westliche Ende der Welt zu bringen. Vor der Ostküste Schottlands kam Regulus mit seinem Schiff in einen heftiger Sturm und erlitt Schiffbruch., Er konnte aber sich und die Reliquien bei St. Andrews, Fife, an Land retten. Aus Dankbarkeit für sein Überleben errichtete er dort eine Kapelle. Später entstand an diesem Ort eine Kirche, deren Turm, St Rule’s Tower, noch heute erhalten ist.
Ende des ersten Jahrtausends nach Christus begann man in Europa mit dem Bau der großen Kathedralen, wie Notre Dame in Paris oder dem Kölner Dom.
Ab 1158 baute man auch in St. Andrews. Es dauerte mehr als 150 Jahre, bis die Kathedrale dann 1318 feierlich eingeweiht wurde. Der legendäre schottische Unabhängigkeitsheld König Robert the Bruce nahm an den Feierlichkeiten teil. Es wurde die größte und wichtigste Kirche, die jemals in Schottland errichtet wurde, eine riesige Kathedrale mit 31 Altären.
Noch heute kann man ihre Ausmaße anhand der verbliebenen Ruinen erkennen. Die Knochen des Andreas machten den Ort zu einer wichtigen Pilgerstätte. Tausende von Pilgern aus ganz Europa kamen jährlich, um hier zu beten.
Um 1200 wurde dann St Andrews Castle gebaut, eine Burg, die gleichzeitig der Bischofssitz war und die zum Schutz der zahlreichen Pilger diente, die in die Stadt kamen.
Die Reformation setze dem ein Ende. Auch in St. Andrews tobten heftige Kämpfe zwischen den Katholiken und der neuen Bewegung der Reformierten.
Einer ihrer wichtigsten Köpfe in Schottland war John Knox. (ca. 1513/14 – 1572, genaues Geburtsdatum unbekannt), der hier auf der Insel die Ideen des Calvinismus verbreitete. Er hatte in St. Andrews Theologie und Rechtswissenschaften studiert und empfing in den 1530er Jahren die Weihe zum katholischen Priester. Schon 10 Jahre später konvertierte er zum Protestantismus, wurde ein glühender Anhänger Calvins und veröffentlichte Schriften und Pamphlete.
Nach und nach erreichten seine Ideen fast die gesamte schottische Bevölkerung und er beteiligte sich maßgeblich an der Gründung der Presbyterian Church of Scotland. So wurde er zu einem der größten Gegenspieler der katholischen Königin Maria Stuart, mit der er zeitlebens in Unfrieden lag. Sie erklärte ihn als geächtet und er war später mit beteiligt an ihrer Einkerkerung auf Loch Level Castle und an ihrer dort erzwungenen Abdankung.
Obwohl ein Kirchenmensch, war John Knox außergewöhnlich radikal, unerbittlich und gewalttätig. Ein religiöser Fanatiker, der keinen Gnade kannte.
Ein Rundgang
Der kleine Ort hat einen gut erhaltenen mittelalterlichen Grundriss. Es gibt drei große Strassen, die alle parallel auf die Kathedrale zulaufen. Es sind die North Street, die Market Street mit dem Marktplatz und Geschäften in der Mitte und die South Street. All das kann man gut zu Fuß erlaufen und hat so in dem kleinen Städtchen alles Wichtige gesehen.
Mit dem Rundgang kann man starten im Westen am Golfgelände (Old Course). Der Golfplatz ist eigentlich nicht besonders spektakulär, aber er atmet Geschichte. Kommt man an einem Sonntag, dann ist er für die Bürger geöffnet. Die Anwohner nutzen das Grün für Picknicks und führen ihre Hunde spazieren, das Golfspielen ruht.
Gegenüber dem alten Club Haus ist das British Golfmuseum beheimatet, ein Muss für jeden Golfer. Rund um den Platz und in der Northstreet sind auch einige Ausstatter angesiedelt. Es gibt auch Bars und Restaurants für das Essen und ein Gläschen danach. Wahrscheinlich nimmt man einen Whisky, den man in St. Andrews auch als Souvenir kaufen kann, perfekt abgefüllt in gläsernen Golfbällen. Und Achtung: die Golfmobile haben hier immer Vorfahrt.
Vom Platz, Richtung Norden, schaut man hinüber auf den langen Sandstrand, St Andrews West Sands Beach. Das ist ein wundervoller Strand, wo man kilometerlang am Meer entlang spazieren kann.
Es gibt ein Aquarium und ein gutes Fischrestaurant direkt an den Klippen. Der befand sich früher, eine öffentliche Meeres Badeanstalt, gefürchtet wegen der Kälte der Nordsee, wie man mir berichtete.
Läuft man jetzt Richtung Osten auf einer kleinen Nebenstraße (The Scores), parallel zur North Street, hat man einen schönen Blick auf Klippen und Meer.
Man kommt an der kleinen Katholischen Kirche vorbei, die Seelsorge und Gemeinschaft für katholische Studenten und Universitätsmitglieder bietet. Sie hat einen schönen Garten mit Obstbäumen und wiederum eine herrliche Aussicht auf die Nordsee.
Läuft man weiter auf der Promenadenstrasse an den Universitätsgebäuden vorbei, an den unterschiedlichen Fakultäten, kommt man schließlich zu den Burgruinen (St. Andrews Castle). Die Burg liegt auf einer Klippe oberhalb des Strandes „Castle Sands“ und man kann sie besichtigen. (£9.00 Eintritt für Erwachsene)
Mehrere berühmte Männer haben hier gelebt und während der Reformation war es das Zentrum der Auseinandersetzungen. Heute kann man das berüchtigte Gefängnis besuchen, in dem einige der Reformatoren eingekerkert waren.
Weiter auf dem Weg kommt man zur St. Andrews Kathedrale, der Hauptattraktion hier am Ort. Einst hat sie ganz St. Andrews überragt, heute steht nur noch die 19 Meter hohe Giebelwand mit dem einstigen Eingang und im Osten das Pendant dazu. Immer noch, wenn man sich St. Andrews nähert, kann man sie von Ferne sehen, gemeinsam mit dem Turm der St. Salvatores Chapel. Es ist wirklich sehr beeindruckend hier zwischen den alten Ruinen zu stehen. Sehr schnell bekommt man ein Gefühl dafür, wie groß die Ausmaße der Kirche waren; einst war sie im Inneren 109 Meter lang.
Beeindruckend ist auch der Kirchhof mit den vielen alten Gräbern. Leider sind sie seit 2019 zum Teil eingezäunt, da Einsturzgefahr bestand.
Den 30 Meter hohen Turm, der zur St. Rules Kirche gehörte, kann man besteigen, wenn man 156 enge Stufen nicht scheut. Von oben hat man einen einmaligen Blick. Der Aufstieg ist möglich mit Eintritt zum Museum der Kirchenkunst hier auf dem Gelände. Eintritt für Turm+Museum: 5£
Zurück Richtung Osten auf der North Street, kommt man an einem kleinen Cafe vorbei. Hier soll sich der Prinz zum Kaffeetrinken mit Kate getroffen haben. Ein großes Schild, das damit wirbt, hängt im Schaufenster.
Das nächste wichtige Gebäude Richtung Westen ist die St. Salvador´s Chapel. Sie wurde 1450 von Bischof James Kennedy gegründet, mit sowohl missionarischer als auch mit pädagogischer Funktion. Noch heute ist sie die offizielle Universitätskapelle. Gebaut wurde die Kapelle ab 1450, ein schönes Beispiel der Spätgotik. Hier finden die sonntäglichen Gottesdienste statt, an denen die Studenten aber auch die Bürger der Stadt teilnehmen. Auch andere Veranstaltungen wie Abschlussfeiern oder Hochzeiten für Studenten der Universität werden in dieser Kirche gefeiert. Im Anschluss an die Gottesdienste folgt oft der berühmten Pierspaziergang der Studenten im traditionellen „Red Gown“.
Wenn man Glück hat, dass die Türen geöffnet sind, sollte man einen Blick ins Innere werfen, die Kapelle ist sehenswert.
Vor dem großen Tor, das zu einem Innenhof der Universität führt, sieht man ein zwei ineinander verschlungene, große Buchstaben, ein Monogram, eingelassen in den Bürgersteig. P und H.
Das steht für Patrick Hamilton, denn hier ist der Platz, an dem er in Jahr 1528 hingerichtet wurde. Er war ein schottischer Abt, der die Lehren Martin Luthers verbreitete. So verurteilte ihn der Erzbischof George Beaton als Ketzer zum Tode. Man verbrannte ihn auf einem Scheiterhaufen, direkt hier vor der St. Salvator-Kapelle. Das Feuer brannte sechs Stunden lang und Hamilton wurde zum Märtyrer, der für seinen Glauben sein Leben opferte. Die Hinrichtung bewirkte das Gegenteil. Nicht Abschreckung, sondern die viel schnellere Verbreitung der reformatorischen Lehren danach unter der schottischen Bevölkerung. So sagt man, dass: „der Gestank von Patrick Hamilton so viele infizierte, wie er wehte“.
Bei den Studenten spricht es sich ganz schnell herum, dass es Unglück bringt, auf diese Buchstaben zu treten. Dann könnte es passieren, dass man die Prüfungen oder den Abschluss nicht schafft. Man kann jetzt den Bereich achtmal rückwärts umrunden oder aber am Maydip teilnehmen.
Die Market Street ist eine der üblichen Einkaufstrassen, wenn auch mit mittelalterlichem Charme.
Hier gibt es die üblichen Geschäfte, auch Ketten wie Boots, H&M, Tesco und ähnliche, aber auch ein paar nette kleine Boutiquen. Mittig ist ein kleiner Platz mit einem kleinen Gedenkbrunnen, 1880 erricht. Dieser erinnert an den Schriftsteller George John Whyte-Melville, ein schottischer Schriftsteller und Dichter aus der Gegend um St. Andrews.
Es lohnt sich auch durch die kleinen Verbindungsstraßen zu laufen. Überall findet man schöne Blumendekorationen und interessante alte Häuser.
Geht man zurück auf der South Street Richtung Kathedrale, kommt am östlichen Ende eine interessante Ruine. Es ist das ehemalige Torhaus, „The Pends“, genannt, der frühere Haupteingang zum Priorat. Es wurde Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut. Heute geht eine Strasse hindurch, die dann weiter hinunter zum Hafen führt.
Hier kann man vielleicht die Fischer beim Anlanden der Hummer beobachten und bekommt Appetit auf die abwechslungsreiche Küche Schottlands. Oder man macht den berühmten Pierspaziergang, vom Ende der Mole hat man wiederum einen schönen Blick auf die Ruinen der Kathedrale.
Ein Besuch in St. Andrews reicht nicht aus, es gibt so vieles zu entdecken. Man muss einfach wiederkommen.