Eine Kurzreise nach Küstrin

Der Himmel über Brandenburg

Lange vorher planen war schwierig in 2020, so hatten wir uns ganz kurz entschlossen, einen Tagesausflug nach Hohenwutzen und dann weiter an der Oder entlang nach Küstrin (Kostrzyn nad Odrą) zu machen. Eine Fahrt durch die Woiwodschaft Westpommern. Woiwodschaft ist gleichzusetzen mit Bundesland bei uns in Deutschland.

Restaurant in Hohenwutzen

Man fährt circa 1,5 Stunden über Bad Freienwalde, über die Oderbrücke und schon ist man da. Es gibt in „normalen“ Zeiten auch Shuttle Busse von Berlin aus. Der „Polenmarkt“ ist ein sehr beliebter Einkaufspunkt, besonders für Deutsche. Hier kann man preisgünstig einkaufen, Gemüse aus der Region, Wurst, Spirituosen, Zigaretten. Es gibt über 700 Stände, viele Restaurants, wo man polnische Spezialitäten essen kann. Aber auch tanken kann man hier günstig und last not least zum Friseur gehen. Das mag für Viele durchaus interessant sein, auch wir haben hier ein bißchen eingekauft und ganz lecker gegessen. Extra dafür kommen würde ich aber nicht.

die Oder

So fuhren wir dann auch schnell weiter Richtung Küstrin durch eine wunderschöne Landschaft und gleich nach einigen Kilometern bogen wir ab, weil wir auf der linken Seite eine interessante Gedenkstätte sahen.

Der Siekierki Friedhof

Siekierki Friedhof

Es war der Siekierki Friedhof im Dorf Stare Łysogórki, ein Kriegsfriedhof der polnischen Armee. Er wurde angelegt zur Erinnerung an polnische Soldaten, die im April 1945 den Übergang an der Oder beim Marsch auf Berlin sicherten und in Gedenken für diejenigen, die in den Schlachten um Berlin starben. 1987 Soldaten, darunter 1661 namentlich bekannt, sind auf diesem Friedhof beigesetzt. Hier in Westpommern gibt es einige Ortschaften, die einen Platz in der polnischen Militärgeschichte haben und das wird wie auch hier mit Denkmälern, Friedhöfen und auch Museen gewürdigt, als Lektion in Heimatkunde und Patriotismus.

Grab mit Grunwald Kreuz

Diesen Soldatenfriedhof hat man direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs angelegt, zuerst mit Holzkreuzen und einer Holzkapelle. Bis in die 1950-ziger Jahre wurde er dann umgestaltet, so, wie das heutige Erscheinungsbild ist. Man stellte 1200 Betonkreuze auf, die dem Orden des Grunwald Kreuzes nachempfunden sind. Das ist eine militärische Auszeichnung in drei Klassen (Gold, Silber und Bronze), die es bis in die 1990-er Jahre gab. Das Kreuz erinnert an die Schlacht bei Grunwald (Tannenberg) am 15. Juli 1410, in der sich der Deutsche Orden und ein Polnisch-Litauisches Heer gegenüberstanden. Sie endete mit dem Sieg des polnische Königs Władysław II. Jagiełło über die Kreuzritter und begründete damit den Untergang des Ordensstaats. Um diese Schlacht gibt es große Mythen. Und eine lebendige Erinnerung, jedes Jahr treffen sich dort „Ritter“, die aus ganz Europa anreisen, um zum Jahrestag eine der größten Schlachten des Mittelalters das Geschehen nach zu spielen.

Die Templer in Quartschen

Templerkirche in Chwarszczany (Quatschen)

Wir fuhren weiter und schon bald gab es einen neue Entdeckung. Ein Schild an der Strasse wies auf eine Sehenswürdigkeit hin und wir beschlossen dem zu folgen. Wir kamen nach Chwarszczany (Quartschen). Im Jahr 1232 verlieh der damalige Herrscher über Großpolen Herzog Władysław dem Templerorden das Recht in einigen Ortschaften einen Markt nach teutonischer Gepflogenheit abzuhalten, dazu gehörte auch das Dorf Quatschen. Das diente auch dazu die Gegend hier zu befrieden, Siedlungen aufzubauen und wirtschaftlich zu nutzen. Der Ort bildete den Mittelpunkt der Templer hier in der Region und so entstand an dieser Stelle die größte, bedeutendste und auch die am besten erhaltene Kirche aus dieser Zeit. Sie ist ein spätgotischer, einschiffiger Backsteinbau aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Leider konnten wir sie innen nicht besichtigen, sie war verschlossen.

die Vorderfront der Kirche

Der Templerorden war, wie auch der Deutsche Orden und der Johanniter Orden, ein geistlicher Ritterorden. Er wurde wurde 1118 im Königreich Jerusalem gegründet. Er war der erste Orden, der die Ideale des adligen Rittertums mit denen des Mönchtums vereinte, während der Kreuzzüge eine militärische Eliteeinheit. Anfang des 14. Jahrhunderts fiel der Orden beim französischen König Philipp IV. in Ungnade. Die Mönchsritter waren zu einflussreich geworden, es gab einige spektakuläre Ketzereiprozesse und der Orden wurde 1312 durch den Papst aufgelöst. Der Bezirk ging in der Nachfolge an die Johanniter. Quartschen war dann bis 1945 ein wohlhabendes Dorf in der Provinz Brandenburg. Im Zweiten Weltkrieg,  Anfang Februar 1945 eroberte die Rote Armee die Region und unterstellte sie noch vor Kriegsende der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Es folgte ab Juli 1945 die  Vertreibung der grenznahen deutschen Bevölkerung aus der Neumark, verbunden mit einer langsamen Besiedlung durch die Polen aus den Ostgebieten.

Die Festung Küstrin

Blick von der Festung Küstrin auf die Oder

Weiter ging es auf unserer Fahrt nach Küstrin (Kostrzyn nad Odrą). Wegen der strategisch günstigen Lage am Zusammenfluss von Oder und Wartha baute man hier ab 1536 den Ort zur Festung aus. Die Flüsse bildeten einen natürlichen Schutz, auch die morastigen Wiesen im Osten. Das machte das Fort schwer einnehmbar. Man baute die Steinfestung bis 1557, das kostete Brandenburg damals eine horrende Summe.

Festung Küstrin

Innerhalb der Festung lag die Stadt mit Marktplatz, Kirchen, Schloss sowie allen militärischen Einrichtungen. Das Schloss Küstrin war ein wichtigster Teil der Küstriner Festung; Kreuzritter hatten es als Burg errichtet. Im Zweiten Weltkrieg brannte es aus und 1969 wurden die Ruinen komplett gesprengt.

Bekannt wurde das Bauwerk auch durch die Hinrichtung des preußische Leutnants Hans Hermann von Katte. Der preußische Kronprinz Friedrich wurde von seinem Vater Friedrich Wilhelm I. von 1730 bis 1732 im Küstriner Schoss inhaftiert. Er hatte versucht vor seinem strengen, manchmal auch brutalen Vater nach Frankreich zu fliehen. Seinen Freund Katte hatte er eingeweiht. Als dann aber der Fluchtversuch scheiterte, wurden beide verhaftet und Katte als Mitwisser angeklagt. Der spätere preußischen Königs Friedrich II. oder Friedrich der Große, auch volkstümlich der „Alte Fritz“ genannt, musste mit ansehen, wie sein Freund am 6. November 1730 in der Festung Küstrin auf Anordnung seines Vaters hingerichtet wurde. Man sagt, Friedrich sei in Ohnmacht gefallen, als Katte an seinem Fenster vorbeigeführt wurde. Auch vermutet man, dass die so drakonische Strafe dem Umstand geschuldet war, dass der König die offenbar homosexuellen Neigungen seines Sohnes hasste und den Leutnant als Verführer ansah.

Der Leutnant Hans Hermann von Katte

Das Pompeji an der Oder

Die Küstriner Altstadt bezeichnet man heute auch als „Pompeji an der Oder“. Der Ort wurde bis Ende März 1945 gegen die Rote Armee gehalten, dabei wurde die Altstadt während der Kämpfe weitgehend zerstört. In den ersten Jahren nach dem Krieg unter polnischer Verwaltung wurden noch bis 1956 die Trümmer, insbesondere die Ziegel der Ruinen, abtransportiert und für den Wiederaufbau Warschaus verwendet. Der Rest wurde 1967 endgültig dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem es jahrzehntelang im Grenzgebiet lag und für die Öffentlichkeit nicht zugängig war, hat man ab 1990 begonnen, Straßen und Gebäudereste freizulegen. Ein Wiederaufbau fand nicht statt, nur das Berliner Tor wurde wiederhergestellt.

Straße der zerbombten Altstadt Küstrin

Heute kann man die Ruinen besichtigen, es gibt Strassenschilder auf Deutsch und Polnisch und an markanten ehemaligen Gebäuden Hinweisschilder.  Man erkennt die Grundmauern, gepflasterte Straßenzüge, Bordsteinkanten, Gullideckel, alte Haus- und Kellereingänge.

 

Am Berliner Tor gibt es eine Touristeninformation und ein Museum zur wechselvollen Geschichte Küstrins, untergebracht in der Kasematte der Bastion. Das Museum war leider auch geschlossen. Das heißt, wir müssen wieder kommen, denn dieser Ort ist sehr interessant und mit mehr Information kann man sicherlich noch mehr sehen. Von hier aus fährt man ca. 1,5 Stunden zurück nach Berlin.

Fazit: ein schöner, interessanter Ausflug, gut an einem Tag zu machen, ca. 3,5 Stunden reine Fahrzeit. Es gab vieles zu entdecken, kurz hinter der Grenze ist man auch irgendwie in einer anderen Welt….