Es ging nach Polen, eine kleine Rundreise in Coronazeiten im Herbst 2020, eine Reise zu den Hansestädten an der Ostsee: Stettin (Szczecin), Kolberg (Kołobrzeg), Stolpmünde (Ustka) und Danzig (Gdansk).
Vom 12. bis zum 17. Jahrhundert war die Hanse ein Handelsbündnis norddeutscher Kaufleute an Nord-und Ostsee, um gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu vertreten. Dieser Zusammenschluss beeinflusste die Politik, die Kultur und die Architektur. Heute ist die Vergangenheit noch vielerorts sichtbar, besonders in Danzig, einem Schatzkästchen des Städtebaus.
Polen ist leicht zu erreichen und doch irgendwie exotisch. War man doch eher in Asien, als in unserem Nachbarland. Covid hatte sich in Polen noch nicht so verbreitet und so war das Reisen einigermaßen unkompliziert.
Mit 38 Millionen Einwohnern ist Polen ist von der Fläche her etwas kleiner als Deutschland. Das Land ist sehr dünn besiedelt mit ursprünglicher Natur und kleinflächiger Landwirtschaft. Man fährt durch kleine Dörfer, wo manche Häuser leer stehen und verfallen sind. Vorbei an alten Gutshäuser und Gehöften, an Backsteinkirchen. Dann wieder durch Alleen und dichte Wälder. An manchen Orten fühlt man sich zurückversetzt in eine andere, frühere Zeit, und das ist sehr romantisch.
Stettin (Szczecin)
Zunächst fuhren wir nach Szczecin (Stettin), von Berlin aus in zwei Stunden mit dem Auto zu erreichen. Die Stadt war diesmal für uns nur ein Zwischenstop und so ging es direkt zur Hakenterasse für einen Brunch. Eigentlich heißt die Uferpromenade Wały Chrobrego, den deutschen Namen hat sie vom langjährigen Bürgermeister der Stadt, Hermann Haken (1828-1916), ein deutscher Jurist und Politiker. Er hatte viel dazu beigetragen die Stadt zu einem der wichtigsten Häfen an der Ostsee zu machen.
Hier sitzt man gut in Restaurant Columbus und hat einen schönen Blick auf die Oder und den Hafen.
Szczecin ist die Hauptstadt der Woiwodschaft Westpommern und hat eine lange wechselvolle Geschichte. Bereits 1243 bekam sie die Stadtrechte und wurde im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört. Man bemerkt das heute noch im Stadtbild, der zerbombte alte Stadtkern wurde zum Teil mit eintönigen Betonbauten geschlossen. Das ist auf dem ersten Blick nicht sehr attraktiv, aber es hat sich schon viel getan. Man hat die wenigen alten Gebäude und Sehenswürdigkeiten liebevoll restauriert. Heute sind sie die Highlights beim Besuch der Stadt. Das größte und wichtigste Projekt zur Zeit ist die Modernisierung des Hafens, mit einer Vertiefung der Fahrrinne für größere Schiffe. Szczecin ist im Aufwind trotz Pandemie.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, machten wir noch einen kleinen Stadtspaziergang durch die Stadt. Dazu besuchten wir einige Stationen des roten Weges, der vom Tourismusbüro der Stadt erarbeitet wurde. Das ist eine rote Linie, auf die Bürgersteige gepinselt, der man folgt und die mit kleinen Infotafeln zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten versehen ist.
Wir machten Halt an der Jakobikirche, seit 1971 Kathedrale im katholischen Polen. Für eine kleinen Betrag fährt man mit dem Fahrstuhl nach oben auf den Turm und hat einen großartigen Blick über die Stadt und den Hafen.
Zum Abschied schlenderten wir noch über einen der „Polenmärkte“, über den Tobruk Markt ganz nah am Bahnhof. Hier gab es Handel schon in der Vorkriegszeit. Es ist ein beliebter Markt für die Stettiner und zum Einkaufen kommen auch viele Deutsche in die Stadt.
Weitere Erkundungen der Stadt mußten warten, denn nun ging es an die Ostsee.
Wir fuhren Richtung Kolberg (Kołobrzeg), unser erstes Übernachtungsziel. Auf dem Weg dahin entlang der Küste hielten wir noch ganz kurz im Ostseebad Tresacz (Hoff) an. Dort wollten wir die Kirchenruine zu sehen und einen Blick von der Aussichtsplattform auf den Strand und die Ostsee zu werfen. In den Sommermonaten gibt es hier viel Strandbetrieb, aber jetzt im Herbst war es fast menschenleer.
Leider hatten wir ja gerade gegessen, wir müssen wiederkommen, der Räucherfisch, der hier überall angeboten wird, sah köstlich aus.
Von der Kirchenruine auf den Klippen steht heute nur noch die Südwand und dazu gibt es eine Legende.
Vor vielen Jahren hatten ortsansässige Fischer eine Meerjungfrau gefangen. Sie war eine Tochter Neptuns und so schön, dass die Männer sie nicht wieder ins Meer zurückgeben wollten. Die Jungfrau weinte und schrie, sie wolle zurück in ihre Ostsee, da sie nur in dem klaren Wasser leben könnte. Die Fischer konnten das aber nicht verstehen und dachten, sie sänge ein Lied. Dann aber stellten sie fest, dass es der Meerjungfrau immer schlechter ging.
Der Pfarrer, den sie daraufhin befragten, meinte, das Geschöpf müsse getauft werden. Dann würde es ihr schon besser gehen und der böse Geist würde ihren Körper verlassen. So wurde das Mädchen getauft. Aber es gab keine Besserung und bald darauf starb sie. Da die Jungfrau nun getauft war, wurde sie in geweihter Erde an der Kirche beigesetzt.
Als Neptun all dies bemerkte, wurde er sehr wütend und befahl der Ostsee, so lange gegen die Küste zu peitschen, bis der Körper seiner Tochter zurück ins Meer gespült wurde. Das war der Grund, warum die Kirche nach und nach abgetragen wurde und im Meer versank.
Angekommen in Kolberg (Kołobrzeg) und eingecheckt im Hotel machten wir noch ein Abendspaziergang. Die Stadt ist Sol- und Kurbad und ein touristischer Hotspot. Es war schon Nachsaison, das merkte man ganz deutlich. Unten an der Strandpromenade waren jetzt am frühen Abend leider schon die meisten Restaurants geschlossen. Ich hatte den Ort schon ganz anders erlebt im Sommer, sehr quirlig, die Menschen waren schaulaufen in großen Pulks. Und es war schwierig einen Platz mit Blick auf den Sonnenuntergang im Restaurant zu bekommen. Jetzt genossen wir die Ruhe und schauten dem Seifenbläser zu, der seine Kunst gegen ein paar Zloty darbot.
Archäologische Ausgrabungen belegen, dass die Besiedlung Kolbergs mit der Sole begann. Bereits im 7. Jh. siedelten hier Menschen. Das Kolberger Salz wurde mittels der Verdampfungsmethode gewonnen und war die Basis für den späteren Reichtum der Stadt.
Die reichsten und salzigsten Gelände befinden sich auf der Salzinsel vor der Mündung des Flusses Persante, mittlerweile mit der Marina und einer Brücke überbaut. Es ist keine richtige Insel, sondern nur ein von Fluss und Meer abgegrenztes und eingeschlossenes Gebiet. Dort baute man früher das Salz ab bis zur Einstellung im Jahre 1860. Es war auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Heute findet man hier noch eine öffentliche Salzquelle.
Wir stiegen hinauf auf das Fort Münde, Teil der Befestigungsanlagen des alten Kolberg. Das Fort entstand schon 1627 im 30-jährigen Krieg, zuerst war es ein Blockhaus aus Holz. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Festung immer weiter gesichert und vergrößert, sie hat viele bewaffnete Angriffe gesehen. Nach dem 2. Weltkrieg 1945 hat man den Leuchtturm, heute das Wahrzeichen der Stadt, oben auf die Verteidigungsanlagen aufgesetzt. Beides bildet jetzt eine bauliche Einheit. Von dort oben wurde man mit einem guten Blick auf einen wunderschönen Sonnenuntergang über der Ostsee belohnt. Die Ausflugsschiffe waren alle zurück und lagen nun an der Mole.
Unten am Fuß des Forts steht ein Denkmal, das dem Hafenkommandanten Stanislaw Mieszkowski gewidmet ist. Es ist sehr schön anzuschauen so angestrahlt am Abend. Der Kommandant wurde unter dem kommunistischen Regime gefangen gehalten, gefoltert und 1952 zum Tode verurteilt. 2016 wurde er vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda rehabilitiert und dieses Denkmal ihm zu Ehren errichtet.
Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Danzig immer entlang der Küste. Stolpmünde (Ustka) ist ein hübscher kleiner Bade- und Kurort, auch schon auf dem Weg in dieWinterruhe. Am Strand wird gebaut, entlang der Promenade gibt eine kleinen Ausstellung mit Schautafeln zur Geschichte des Ortes. Auch einige Postkarten sind hier abgebildet und verweisen auf eine deutsche Vergangenheit Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der Ort liegt an der Mündung der Stolpe in die Ostsee. Stolpmünde (Ustka) war der Hafen der Stadt Stolp (Słupsk), die etwas weiter landeinwärts liegt und gehörte seit 1382 zur Hanse. In der Blütezeit war der Ort bedeutender als Kolberg (Kołobrzeg) oder Rügenwalde (Darłowo) und unterhielt Handelsverbindungen bis nach England und den Niederlanden. Das war jedoch nach etwa 100 Jahren vorbei, als Danzig die Vormachtstellung an der Ostsee übernahm. Die Mündung der Stolpe versandete und die Hafenanlagen verrotteten. Eine zweite Blüte hatte der Hafen um 1900 als großer Fischereihafen.
1945 versank etwa 23 Seemeilen vor der Küste das Passagierschiff Wilhelm Gustloff. Es gilt bis heute als eine der verlustreichsten Schiffskatastrophen der Menschheit. Es sollen bis zu 10.000 Passagieren an Bord gewesen sein, nur ca. 1200 wurden gerettet. Das Schiff war zuvor von einem sowjetischen U-Boot torpediert worden.
Auch 1945 wurden hier im Hafen fast 33000Flüchtlingen auf Schiffen in Richtung Westen vor den Truppen der Roten Armee in Sicherheit gebracht.
Aber heute ist der kleine Ort im Aufwind und etabliert sich als gut besuchtes Seebad mit besonders feinen Sandstränden.
Auf nach Danzig!
Erst am Abend erreichten wir die Stadt, denn je näher wir Danzig (Gdansk) kamen, desto stärker wurde das Verkehrsaufkommen und das kostete Zeit. Wir beschlossen schnell unser Hotel aufzusuchen und bei einem Abendspaziergang gewannen wir einen ersten Eindruck von diesem wunderschönen und interessanten Ort.
Am nächsten Tag machten wir uns auf für einen Ausflug auf die Halbinsel Hel (Hela). Diese Landzunge, 34 km lang, trennt die Ostsee teilweise von der Danziger Bucht. Landschaftlich sehr reizvoll mit flachen, weißen Stränden, ist hier ein beliebtes Gebiet für Kitesurfer. Es war sonnig und warm und es herrschte ein guter Wind. So gab es regen Betrieb auf der Danziger Bucht.
Auch die touristische Hafenstadt Hela (Hel) war noch gut besucht. Im Hafen standen die Fischerboote, die Fähren, die hinüber nach Danzig fahren und zur Belustigung der Touristen gab es Speedboote, die durch die Bucht sausten.
Ein kleiner Spaziergang, etwas off the road, hinterließ uns einen Eindruck vom abgeblätterten Charme dieses Ortes.
Sogar eine deutsche Reisegruppe aus Süddeutschland haben wir getroffen, die mit einem großen Reisebus unterwegs war, ein seltener Anblick in diesen Zeiten.
Zum Abschied gab es noch ein Piwo (Bier), das wir in der Sonne sitzend getrunken haben. Um uns herum war ein buntes Treiben mit vielen Menschen, auch ungewohnt!
Dann ging es zurück.
Rückblickend betrachtet muss man für einen Trip auf die Halbinsel mehr Zeit einplanen. Denn zusammengefasst kann man sagen, wir hatten eigentlich nur im Stau gestanden. Besonders am Abend auf der Rückfahrt durch die Dreistadt Gdingen/Zoppot/Danzig (Gdynia/Sopot/Gdańsk), die mittlerweile zusammengewachsen ist zu einer einzigen großen Metropole. Interessant war es trotzdem, erste Eindrücke haben wir gewonnen, wir müssen wiederkommen.
Danzig
Danzig, die Perle der Ostsee, sie gilt als eine der schönsten Städte in Mitteleuropa. Sie war unser Highlight der Reise, in Corona Zeiten so leer wie schon lange nicht mehr. Wir trafen kaum Menschen auf unseren Streifzügen durch die Stadt. Normalerweise ist Danzig ein Tourismus Hotspot und ein Foto vom Krantor so nur am ganz frühen Morgen möglich.
Danzig ist die Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern. Die Hafenstadt an der Danziger Bucht hat eine sehr wechselvolle Geschichte. Im 2. Weltkrieg wurde die gesamte Rechtstadt (Główne Miasto), so heißt die wunderschöne Altstadt, fast komplett zerstört. In den 1950er Jahren begann dann ein historischer, jahrzehntelanger Wiederaufbau. Man rekonstruierte nach Vorbildern des 16. und 17. Jahrhunderts und so sieht man heute Beispiele der herausragenden Restaurationskunst der polnischen Handwerker. Nur wenige diese Gebäude sind allerdings auch im Inneren rekonstruiert. Hinter den schön geschmückten Fassaden zur Strasse gibt es Wohnungen und zum Hof hin glatt verputzte Hauswände.
Der sogenannte Königsweg, die längste, erhalten gebliebene städtische Achse aus dem Mittelalter, verbindet die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Hier kann man wunderbar bummeln, besonders beeindruckend ist es am Abend. Es gibt es viele Restaurants, Bars und Boutiquen. Nicht zu vergessen die vielen Souvenirshops; besonders begehrt bei Touristen ist der Bernstein.
Gleich am nächsten Morgen machten wir eine Hafenrundfahrt mit einer nachgebauten Hansekogge bis zur Westerplatte, eine Halbinsel am Hafenrand von Danzig. Wir starteten in der Nähe des Krantors, fuhren vorbei an den Hafenanlagen, den großen Schiffen und den Werften. Die Fahrt dauerte ungefähr 1,5 Stunden.
Gleich am nächsten Morgen machten wir eine Hafenrundfahrt mit einer nachgebauten Hansekogge bis zur Westerplatte, eine Halbinsel am Hafenrand von Danzig. Wir starteten in der Nähe des Krantors, fuhren vorbei an den Hafenanlagen, den großen Schiffen und den Werften. Die Fahrt dauerte ungefähr 1,5 Stunden.
Auf der Westerplatte stiegen wir aus und hatten dort eine Stunde Zeit für die Besichtigung. Heute ist es ein Wallfahrtsort, ein Symbol des polnischen Widerstands. Sehr anschaulich sieht man hier das Grauen des Krieges.
An diesem Ort begann der 2. Weltkrieg am 1. September 1939. Das deutsche Schulschiff SMS Schleswig Holstein, das offiziell zu einem Freundschaftsbesuch an der Danziger Bucht lag, eröffnete das Feuer auf die polnische Stellung. Sieben Tage dauerte der Kampf und endete mit dem Sieg der Deutschen. Danzig war damals Freie Stadt. Die polnische Marineinfanterie jedoch hatte auf dem Gebiet der Westerplatte seit 1933, teilweise auch heimlich nachts, eine Stellung und ein Munitionsdepot angelegt.
Mit dem bekannten Ausspruch „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!“ verkündete Hitler vor dem Reichstag den Beginn des Krieges. Er behauptete, dass die Polen einen deutschen Rundfunksender überfallen und einen deutschen Soldaten erschossen hätten. Die Behauptung ist jedoch falsch. Tatsächlich hatte das deutsche Schiff den Angriff bereits um um 4:47 Uhr begonnen und der Mord an dem Soldaten war eine gefakte Propaganda Aktion der Nazis, die die Leiche eines deutschen Häftlings präsentierten.
Zum Abschied fuhren wir noch Riesenrad, in Danzig ein erschwingliches Vergnügen, wenn man an andere europäische Städte denkt. Man hatte einen großartigen Blick und auch das Glück, nochmal unsere Kogge zu sehen, die zu einer weiteren Fahrt ansetzte.
Leider war unsere Zeit in Danzig dann vorbei, wir mußten zurück und beschlossen, noch am Abend zu fahren. Bis Berlin sind es etwa sechs Stunden, das war zu machen.